Gewerberaummietrecht (Mangel-Symptomtheorie gilt auch im Gewerberaummietrecht) |
Sachverhalt: |
Die Mieterin hat Gewerberäume zur Nutzung als Gastronomiebetrieb gemietet. Für die Zeit von Januar bis Juli 2012 erfolgte eine Mietminderung. Die Mieterin hatte unter anderem das Fehlen eines erforderlichen Belüftungssystems gerügt und im Einzelnen ausgeführt, es fehle an einer funktionierenden warmen Zuluft, da die Vermieterin die vorhandene Zuluftöffnung mit einer Styroporplatte verschlossen habe. Dadurch sei in den Räumlichkeiten Abluft, aber keine Zuluft vorhanden gewesen, wodurch auch ein Unterdruck zwischen Küche und Restaurant entstanden sei. Die Mieterin hatte konsistent und immer wieder vorgetragen, es seien in den Gasträumen in den Monaten Oktober 2011 bis Mai 2012 keine Temperaturen von über 18 °C erreichbar gewesen. Die Vermieterin hat die geminderte Miete eingeklagt. Die Vermieterin hat beim OLG Düsseldorf Recht bekommen, da die Mieterin einen konkreten Sachmangel weder hinsichtlich der Heizungsanlage noch hinsichtlich der Belüftung des Restaurants substantiiert dargelegt habe. Die Mieterin hat ein Rechtsmittel beim BGH eingelegt. |
Entscheidung: |
Der BGH gibt der Mieterin Recht. Das OLG hat die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und dadurch versäumt, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Mieterin in der gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben. Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen. Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet. Der BGH hat den Rechtstreit zur erneuten Verhandlung an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.
Autor: Arne Carstens, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Immobilienkaufmann (IHK) |
(BGH Urteil vom 27.07.2016 – XII ZR 59/14) |
Wohnraummietrecht (Anforderungen an Beseitigung der Kündigungswirkungen) |
Sachverhalt: |
Der Mieter ist seit 1997 Mieter einer Wohnung. In den Jahren 2011 und 2012 führte die Vermieterin umfangreiche energetische Sanierungsmaßnahmen durch. Nach Abschluss der Arbeiten begehrte die Vermieterin eine Erhöhung der Grundmiete um 125,36 € auf 421,92 €. Zuzüglich Vorauszahlungen ergab sich eine Gesamtmiete in Höhe von 558,53 €. Der Mieter hielt die Mieterhöhung nicht für gerechtfertigt und zahlte in der Folgezeit nur einen Teil der nunmehr geforderten Miete. Erstmals im Jahre 2014 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges fristlos und hilfsweise ordentlich. Die Mietrückstände beliefen sich auf etwa 1.800 €. Im Januar 2015 erklärte die Vermieterin erneut die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Die Vermieterin klagte auf Zahlung und Räumung. Der Mieter erklärte unter anderem mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2012 in der Klageerwiderung vom 10. September 2014 die Aufrechnung. Das Landgericht Bonn ist zu der Auffassung gelangt, dass angesichts der wirksamen Aufrechnungen des Mieters der Mietrückstand nur noch 1.060,46 € beträgt und somit die Höhe von zwei Bruttomonatsmieten (2 x 558,53 = 1.117,06 €) nicht erreicht habe. Die Vermieterin hat Revision eingelegt. |
Entscheidung: |
Der BGH gibt der Vermieterin Recht. Eine nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB grundsätzlich gerechtfertigte Kündigung ist nur unter bestimmten, vom Gesetz im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen ausgeschlossen oder wird unwirksam. So ist eine Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher – d.h. vor dem Zugang der Kündigung -befriedigt wird. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung unwirksam, wenn sich der Schuldner von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. Die Kündigung wird nach § 569 Absatz 3 Nr. 2 BGB auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung befriedigt wird (Schonfristzahlung). Sämtliche genannten Vorschriften setzen allerdings eine vollständige Befriedigung des Vermieters voraus. Durch die vom Mieter erklärte Aufrechnung verminderte sich der offene Betrag nicht in vollständiger Höhe. Davon abgesehen hat der Mieter die Aufrechnung erst in der Klageerwiderung und deshalb nicht, wie in § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB verlangt, unverzüglich erklärt.
Autor: Arne Carstens, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Immobilienkaufmann (IHK) |
(BGH Urteil 24.08.2016 – VIII ZR 261/15) |
Wohnungseigentumsrecht (zum Berechtigten einer Versicherungsleistung) |
Sachverhalt: |
In einer Wohnungseigentumsanlage kam es im Dezember 2012 in dem Hobbyraum einer Wohnung zu einem Wasserschaden. Die Eigentümerin dieser Wohnung hat ihren drei Kindern kurz darauf durch Vertrag im Januar 2013 dieses Wohnungseigentum zu je einem Drittel übertragen. Von Februar 2013 bis April 2014 wurden in der Wohnung Sanierungs- und Trocknungsmaßnahmen durchgeführt. Die drei Kinder wurden erst im Juli 2013 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Im August 2013 und Oktober 2013 zahlte das Versicherungsunternehmen, bei dem die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Wohnanlage eine Gebäudeversicherung abgeschlossen hatte, an die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Betrag in Höhe von 946,03 €. Die drei Kinder sind der Ansicht, dass die Versicherungsleistung ihnen zustehe und haben die Wohnungseigentümergemeinschaft verklagt. |
Entscheidung: |
Der BGH gibt der Wohnungseigentümergemeinschaft Recht. Schließt eine Wohnungseigentümergemeinschaft für das gesamte Gebäude eine Gebäudeversicherung ab, handelt es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung. Versicherungsnehmer ist der gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 WEG rechtsfähige Verband, während Versicherte die einzelnen Wohnungseigentümer sind, und zwar sowohl für ihren ideellen Anteil am Gemeinschaftseigentum als auch für ihr Sondereigentum. Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, tritt gemäß § 95 Abs. 1 VVG an dessen Stelle der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis „sich ergebenden“ Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Grundbucheintragung. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung ergibt sich grundsätzlich mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Dieser ist hier der Wasserschaden, der bereits im Dezember 2012 und damit vor der im Juli 2013 erfolgten Eintragung der drei Kinder als Eigentümer des Wohnungseigentums in das Grundbuch aufgetreten ist.
Autor: Arne Carstens, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Immobilienkaufmann (IHK) |
(BGH Urteil vom 16.09.2016 – V ZR 29/16) |