Gewerberaummietrecht (Ausübung der Option führt nicht zum Verlust des Minderungsrechts) |
Sachverhalt: |
Die Mieterin hatte im Jahre 2001 eine Gewerbeimmobilie gemietet. Die ursprüngliche Mietdauer sollte 10 Jahre betragen. Die Mieterin hatte das Recht die Mietzeit 2 x um je 5 Jahre zu verlängern (Option). Im Mietvertrag ist geregelt, dass die Optionen jeweils stillschweigend in Kraft treten, wenn die Mieterin spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit keine gegenteilige schriftliche Erklärung abgibt. Erstmals 2007 rügte die Mieterin verschiedene Mängel. Im Jahre 2011, also nach Optionsausübung, wiederholte die Mieterin die Mängelrüge unter Fristsetzung. Ab 2012 minderte die Mieterin die Miete um 50 %. Die Vermieterin ist der Meinung, das Recht zur Mietminderung sei wegen vorbehaltloser Ausübung der Option ausgeschlossen. Diese Situation falle unter § 536 b BGB, wonach das Recht zur Mietminderung ausgeschlossen ist, wenn dem Mieter der Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss bekannt ist. Die Vermieterin klagte auf Zahlung der Mietrückstände in Höhe von etwa 28.000 €. |
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Entscheidung: |
Der BGH gibt der Mieterin Recht. Denn auch die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch die Mieterin führt nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB zum Verlust der ihr nach §§ 536 und 536 a BGB zustehenden Rechte. Bei der Ausübung einer Verlängerungsoption handelt es sich nicht um einen Vertragsschluss im Sinne des 536 b BGB. Die Option ist ein schon im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht. Durch ihre Ausübung kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt. Im Übrigen wird der Mietvertrag aber – ebenso wie bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses aufgrund eines Verlängerungsmechanismus – mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibt erhalten. Demnach bewirkt die Ausübung einer Verlängerungsoption keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Mietvertrags darstellt. |
(BGH Urteil vom 14.10.2015 – XII ZR 84/14) |
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Wohnraummietrecht (Mieterhöhung nach § 588 BGB ist die tatsächliche Wohnfläche relevant) |
Sachverhalt: |
Der Mieter hat eine 5-Zimmer-Wohnung in Berlin angemietet. Die Wohnfläche ist im Mietvertrag viel zu gering mit 156,95 m² angegeben. Die Wohnfläche beträgt tatsächlich 210,43 m². Die Bruttokaltmiete liegt derzeit bei 629,75 €. Die Vermieterin begehrt vom Mieter die Zustimmung zur Erhöhung der Bruttokaltmiete um etwa 308 € auf insgesamt 937,52 €. Die Vermieterin begründet das Mieterhöhungsverlangen mit den allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften. Sie begehrt eine Mieterhöhung der derzeit geschuldeten Miete um 15 % (94,46 €). Zu der darüber hinausgehenden Anhebung der Miete meint die Vermieterin wegen der Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um 33,95 % berechtigt zu sein. Der Mieter hat nur der Mieterhöhung um 94,46 € zugestimmt, da ansonsten die Kappungsgrenze von 15 % überschritten werde. Die Vermieterin hat auf Zustimmung zur vollen Mieterhöhung geklagt. |
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Entscheidung: |
Der BGH gibt dem Mieter Recht. Der Vermieter hat neben den allgemeinen Mieterhöhungsvorschrift (§ 558 BGB) keinen Anspruch auf eine weitere Anhebung der Miete. Insbesondere ergibt sich aus einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag noch kein Anwendungsfall eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Dem steht bereits entgegen, dass die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche regelmäßig in die Risikosphäre des Vermieters fällt. Bezüglich des Mieterhöhungsverfahrens nach § 558 BGB hat der BGH, entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass es nur auf die tatsächliche Wohnungsgröße ankomme. § 558 BGB soll es dem Vermieter ermöglichen, eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Für den Vergleich ist deshalb allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgeblich, während etwaige Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen können, denn sonst würden nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierte Umstände berücksichtigt. An seiner früheren Rechtsprechung, dass der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen muss, wenn die Abweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt, hält der BGH deshalb nicht mehr fest. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, dass die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben ist; hier kann der Vermieter die Miete gemäß § 558 BGB ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen (niedrigeren) Wohnfläche erhöhen. |
(BGH Urteil vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14) |
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Baurecht (Ausschluss von Preiskorrektur bei Massenänderung – im VOB-Vertrag formularmäßig unwirksam) |
Sachverhalt: |
Ein Bauunternehmen war von der Stadt H mit der Erstellung einer Lärmschutzwand an einer Bundesstraße beauftragt worden. Das Bauunternehmen erteilte einer Nachunternehmerin den Auftrag die erforderlichen Arbeiten vorzunehmen. Es wurde ein VOB-Einheitspreisvertrag geschlossen. In dem Vertrag zwischen Bauunternehmen und Nachunternehmerin war folgende Klausel enthalten:“Massenänderungen – auch über 10 % – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur.“ Während der Bauausführung kam es zu Massenänderungen. In der Schlussrechnung waren die entsprechenden Nachträge enthalten. Das Bauunternehmen hat die Nachträge nicht anerkannt. Die Nachunternehmerin meint, dass § 2 Abs. 3 VOB/B (Ausgleich für Mengenänderungen) nicht wirksam abbedungen worden sei und hat das Bauunternehmen auf Zahlung verklagt. |
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Entscheidung: |
Der BGH hat den Rechtstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, jedoch bezüglich der Massenänderungsklausel darauf hingewiesen, dass diese, sofern es sich um eine vom Bauunternehmen gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die nicht im Einzelnen ausgehandelt ist, wegen unangemessener Benachteiligung der Nachunternehmerin unwirksam wäre. Denn mit ihr wird nicht nur eine Preisanpassung zugunsten des Auftragnehmers nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen, sondern darüber hinaus auch eine Preisanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (BGB § 313). |
(BGH Urteil vom 04.11.2015 – VII ZR 282/14) |